Martin Ackermann: „Klimaanpassung? Schütze dich selbst"

Der Direktor der Eidgenössischen Wasserwissenschaftlichen Hochschule über die Unterstützung der EMPA beim Projekt „Mining the Atmosphere“.

Martin Ackermann: Interview mit dem Direktor der EAWAG zum Schweizer Projekt „Mining the Atmosphere“ in Zusammenarbeit mit EMPA
Martin Ackermann ist Direktor der Eidgenössischen Wassersportanstalt in der Schweiz (Foto: EMPA und EAWAG)

Um den Klimawandel zu begrenzen, müssen wir nicht nur zukünftige, sondern auch historische Schadstoffemissionen kompensieren.
Eine Lösung könnte eine Art „atmosphärischer Staubsauger“ sein. Entfernen wir überschüssiges Kohlendioxid aus unserem Himmel. Aber was machen wir danach damit?
Anstatt Kohlenstoff aus Rohöl für Polymere, Medikamente, Fasern, Kraftstoffe und ähnliche Produkte zu gewinnen, nutzen wir atmosphärisches CO2.
Dies ist eine einfache Idee, aber technisch äußerst anspruchsvoll und die Grundlage der neuen Forschungsinitiative der EMPA mit dem Titel „Mining the Atmosphere“.
Martin Ackermann, der Direktor der EAWAG, die zu diesem Thema mit der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt zusammenarbeitet, erklärt, warum es sich vor allem um eine Wasserkrise handelt, was dagegen getan werden muss und was aus dem Gewächshaus produziert werden kann Gas CO2.
Martin Ackermann ist seit 2006 Professor des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung an der ETH Zürich, seit August 2008 ausserordentlicher Professor und seit 2015 ordentlicher Professor für Mikrobielle Systemökologie.
1971 in Schwyz geboren, studierte er dort BiologieUniversität Basel und promovierte in der rheinischen Stadt bei Urs Jenal und Steve Stearns über das Altern bei Bakterien.
Nach seiner Promotion arbeitete er zwei Jahre als Postdoc bei Lin Chao an der UC San Diego. 2004 trat er der Gruppe von Sebastian Bonhoeffer am Polytechnikum Zürich bei.
Die Gruppe von Martin Ackermann beschäftigt sich mit grundlegenden Fragen im Zusammenhang mit der Ökologie und Evolution von Bakterien: mit Interaktionen innerhalb und zwischen Arten, damit, wie Bakterien mit sich ständig verändernden Umgebungen zurechtkommen und wie sich die Eigenschaften und Funktionen mikrobieller Gemeinschaften aus den Aktivitäten einzelner Zellen und Zellen ergeben die Wechselwirkungen zwischen ihnen.
Das Team um den Leiter der Eidgenössischen Wasserforschungsanstalt arbeitet oft auf der Ebene einzelner Zellen und fragt sich, wie diese Perspektive Erkenntnisse liefert, die mit Populationsexperimenten nicht gewonnen werden konnten.
Ziel der ETH Zürich ist es, die Grundprinzipien mit Modellen im Labor zu entwickeln und diese Konzepte dann in natürlicheren Situationen zu testen.
Über die allgemeinen Ziele des Forschungsinstituts hinaus besteht Martin Ackermanns oberstes Ziel darin, unser Verständnis der Biologie von Bakterien in der Natur (einschließlich Wirtsverbänden) zu vertiefen und praktische Erkenntnisse für die Kontrolle und Nutzung bakterieller Aktivitäten zu liefern.
Neben der Biologie ist der Direktor auch die richtige Person, um sich mit dem Thema Kohlendioxidabscheidung und der Zusammenarbeit der von ihm geleiteten EAWAG mit der EMPA auseinanderzusetzen.

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Martin Ackermann: Interview mit dem Direktor der EAWAG zum Schweizer Projekt „Mining the Atmosphere“ in Zusammenarbeit mit EMPA
Die mildernde Wirkung von Wäldern und Ozeanen reicht nicht mehr aus, um überschüssiges CO2 zurückzuhalten, es ist notwendig, es abzufangen (Foto: Envato)

Lösungen für die Klimakrise zu finden und die Atmosphäre als eine Art „Mine“ zu nutzen, um CO2 zu extrahieren und wertvolle Materialien zu produzieren: Das ist keine leichte Aufgabe. Haben Sie keine Angst, die Erwartungen nicht erfüllen zu können?

„Zuerst eine persönliche Einschätzung: Wir sind nicht auf dem richtigen Weg. Ziele für einen effizienten Klimaschutz, wie zum Beispiel null Emissionen bis 2050, liegen derzeit in weiter Ferne. Darüber hinaus besteht großer Nachholbedarf bei der Klimaanpassung, also unserer Fähigkeit, angemessen auf die sich ständig verändernde globale Erwärmung zu reagieren. Es gibt also noch viel zu tun. Und es ist besser für uns, so schnell wie möglich damit anzufangen ...“

Und können EMPA und EAWAG diese Herkulesaufgabe alleine bewältigen?

„Wir schätzen die Zusammenarbeit mit der EMPA im Allgemeinen, aber insbesondere in der Klimafrage, sehr. Wir wollen unseren gemeinsamen Campus zu einem Ort weiterentwickeln, an dem wir intensiv an Klimalösungen arbeiten. Um sie zu entwickeln, ist es notwendig, alle verfügbaren Stärken zu bündeln, von der Grundlagenforschung, in der die beiden Fachhochschulen tätig sind Föderale (Lausanne und Zürich, Hrsg.) sind besonders stark bei der Übertragung neuer Erkenntnisse in praktische Anwendungen, sei es neue Technologien oder die wissenschaftliche Grundlage für neue Vorschriften und Gesetze. Innerhalb des ETH-Bereichs ergänzen wir uns perfekt.»

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Martin Ackermann: Interview mit dem Direktor der EAWAG zum Schweizer Projekt „Mining the Atmosphere“ in Zusammenarbeit mit EMPA
Das EMPA-Projekt „Mining the Atmosphere“, an dem die EAWAG mitarbeitet, geht weit über die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung hinaus: Es geht um die Schaffung einer neuen globalen Wirtschaft (Abbildung: EMPA und EAWAG)

Welchen konkreten Beitrag kann die Forschung zur Lösung der Klimakrise leisten?

„Wenn wir über Klimaforschung sprechen, denken wir normalerweise an Messungen und Modellierung, also an die Beschreibung des Problems. Obwohl dies absolut notwendig ist, brauchen wir noch etwas mehr – Lösungen. Wir können grob zwei Arten der Reaktion auf die Klimakrise unterscheiden. Einerseits der Klimaschutz bzw. Klimaschutz, also die Technologien und politischen Strategien zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre, wie sie das Projekt „Mining the Atmosphere“ vorsieht. Zum anderen die Klimaanpassung, um die schädlichen Auswirkungen der globalen Erwärmung auf natürliche und menschliche Ökosysteme einzudämmen oder zu minimieren, beispielsweise den Schutz vor extremen Wetterereignissen. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Anpassung an das Klima besteht letztlich darin, sich selbst zu schützen, also für sein Wohlbefinden zu sorgen. Klimaschutz ist altruistisch und hat globale Auswirkungen. Wir brauchen beides, nicht das eine oder das andere.“

Welche Rolle spielt dabei die EAWAG als Wasserforschungsinstitut?

„Nach Angaben der Vereinten Nationen ist der Klimawandel in erster Linie eine Wasserkrise. Es stimmt, dass sich das Klima erwärmt, aber dadurch verändern sich auch die Wasserverfügbarkeit und die Niederschlagsmuster. Die Winter werden feuchter, die Sommer heißer und trockener. Das bedeutet, dass wir gleich mit zwei Problemen konfrontiert sind: Im Winter können extreme Wassermengen in Form von Starkregen auftreten und schwere Schäden anrichten, während im Sommer mancherorts zu wenig Wasser vorhanden ist. Wir müssen daher die Schäden durch extreme Regenfälle begrenzen und gleichzeitig einen Teil des Wassers für den Sommer aufsparen. Aus diesem Grund haben wir das Klima als eines der Schlüsselthemen der EAWAG definiert, was in der Vergangenheit weniger explizit war.“

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Aus der Atmosphäre gewonnenes CO2 kann zur Herstellung von Kunststoffpolymeren, synthetischen Kraftstoffen und Baumaterialien verwendet werden: Es ist der Rohstoff der Zukunft (Foto: Envato)

Wie sieht Ihr ungefährer Arbeitsplan aus?

„Wir prüfen derzeit mit unseren Partnerinstituten im ETH-Bereich, wo wir am besten zusammenarbeiten können, beispielsweise in den Bereichen Wasser- und Klimaanpassung.“

Auf welche konkreten Bedürfnisse möchten Sie eingehen?

„Nur ein Beispiel: Wir bauen in Bern ein realitätsnahes Labor auf, in dem wir mit Behörden, Anwohnern und Forschungspartnern zusammenarbeiten. Ziel ist es, die Nachbarschaft so anzupassen, dass auch in 15 Jahren das Leben dank blaugrüner Infrastruktur und der Integration von Wasser und Vegetation in die Nachbarschaften noch angenehm und sicher sein kann. All dies, damit die Menschen auf extreme Wetterereignisse vorbereitet sind und gleichzeitig im Sommer über ausreichend Wasser und Kühlung verfügen.“

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Auch neue Forschungsinitiativen müssen gefördert werden. Woher kommen die Mittel?

„Wie gesagt, wir haben das Thema Klimaschutz und Klimaanpassung als strategischen Schwerpunkt definiert und werden es selbstverständlich auch wirtschaftlich entsprechend unterstützen.“

Warum ist es wichtig, dass die Schweiz in diesem Bereich eine Vorreiterrolle einnimmt?

„Klimaschutz hat zwei Aspekte: Der erste ist Verantwortung. Als wohlhabendes und hochinnovatives Land mit ebenso hohem CO2-Ausstoss hat die Schweiz eine grössere Verantwortung, der sie auch gerecht werden sollte. Das zweite ist ein ökonomisches Argument: Innovationen im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung haben ein enormes Potenzial und könnten zu einem riesigen Markt für die Schweizer Industrie werden. Im Kontext der Klimaanpassung kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Alle Sektoren unseres Landes werden sich durch den Klimawandel verändern: Landwirtschaft, Berge, Siedlungen. Es liegt daher im Interesse der Schweiz, sich auf die negativen Auswirkungen des Klimawandels vorzubereiten und sich vor ihnen zu schützen ...“

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